Seit Anfang November wird unser Büro von Lukas Meyer-Schwickerath, Absolvent des Masterstudiengangs Lateinamerikastudien an der FU Berlin, unterstützt. Bevor er im Januar 2018 seine Arbeit bei der Friedrich-Ebert-Stiftung aufnimmt, hatte er im Rahmen seines Praktikums unter anderem die Möglichkeit, am ordentlichen Bundesparteitag der SPD vom 7. bis 9. Dezember in Berlin teilzunehmen. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen rund um den Parteitag:
Drei arbeitsintensive und debattenfreudige Parteitags-Tage liegen hinter uns. Von Donnerstag bis Samstag fand in der Berliner Messehalle ein ordentlicher Bundesparteitag der SPD statt.
Doch war es nicht irgendein Parteitag: Denn einerseits fand er im Kontext einer unvorhergesehenen und bis dato in Deutschland ungekannten politischen Situation statt – drei Monate nach der Bundestagswahl gibt es noch keine neue Regierung. Andererseits sollte der Parteitag der Auftakt des nach der historischen Wahlniederlage angestoßenen Prozesses der SPD mit dem Slogan „#SPD erneuern“ werden. Um die Rolle der SPD in der laufenden Legislaturperiode festlegen zu können, stand daher ein Antrag des Parteivorstands zur Abstimmung, der einen ergebnisoffenen Dialogprozess mit der CDU/CSU ermöglichen sollte. Denn das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen hat die Rahmenbedingungen für eine mögliche Regierungszusammenarbeit in vielerlei Hinsicht verändert. Doch innerhalb der Partei differieren die Meinungen für oder gegen eine Neuauflage der Zusammenarbeit mit der CDU/CSU-Fraktion unter Führung von Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Besonders an der Parteibasis, unter den Jusos und bei einigen Landesverbänden gab es erhebliche „GroKo-Zweifel“, die sich vor allem aus den Erfahrungen der letzten Großen Koalitionen und den damit verbundenen schlechten Wahlergebnissen in vormals starken SPD-Regionen nähren.
Auf dem Parteitag gelang Parteispitze und Delegierten dennoch etwas Besonderes: Denn es ging nicht etwa darum, sich lediglich die Zustimmung einer Mehrheit der 600 Delegierten für eine Verlängerung der Großen Koalition einzuholen sowie personelle Entscheidung durchzuwinken. Stattdessen wurde Raum geschaffen für eine ausführliche und offene, leidenschaftlich geführte sowie inhaltlich dichte Aussprache, die gleichzeitig den Beginn des selbstverordneten kritischen Erneuerungsprozesses der Partei einleitete. Diese Debatte wurde dazu genutzt, Fehler zu analysieren, Kernthemen, die für die deutsche Sozialdemokratie als essentiell gelten, klar zu umreißen und die wichtige Frage im Hinblick auf eine erneute Regierungszusammenarbeit mit der Union von verschiedensten Seiten zu erörtern.
Das Ergebnis ist keinesfalls ein von der Basis befürchteter Freifahrtschein für die Parteispitze, in Sondierungsverhandlungen über eine Koalitionsfortsetzung zu gehen. Vielmehr ist es gelungen, die Parteimitglieder davon zu überzeugen, dass ein ergebnisoffener Dialog mit der CDU/CSU gesucht werden muss, in dem alle Varianten einer zukünftigen Zusammenarbeit gleichwertig ausgelotet werden können. Nachdem Meinungsverschiedenheiten und Kontroversen sachlich und fair ausgetragen wurden, stimmte letztlich eine deutliche Mehrheit der Delegierten für die Aufnahme von Gesprächen mit der Union. Niels Annen trug aus meiner Sicht durch seine besonnene und routinierte Moderation in dieser Phase des Parteitags zu einer reibungslosen und fairen Aussprache und Abstimmung bei.
Der Vertrauensvorschuss, um den Martin Schulz die Mitglieder gebeten hatte, wurde aber nicht nur hinsichtlich der Zustimmung zum Dialog mit der CDU/CSU gewährt. Auch die anschließende Wiederwahl von Martin Schulz zum Parteivorsitzenden zeigt, dass er trotz der Wahlniederlage und der von ihm eingeräumten Fehler im Wahlkampf nach wie vor einen großen Rückhalt in der Partei genießt.
Insgesamt habe ich auf dem Parteitag den Eindruck einer gestärkten und selbstbewusster gewordenen Partei gewinnen können. Wir stehen zwar vor einem anspruchsvollen und herausfordernden Erneuerungsprozess, der nicht immer gemütlich zugehen wird, aber durch den ein großes Potential freigesetzt werden kann, damit wir kreativ und mutig die Zukunft der Partei und damit die Zukunft Deutschlands mitgestalten können.
Die weiteren Ergebnisse der Personalwahlen sowie ausgewählte Redebeiträge finden Sie unter: https://www.spd.de/partei/bundesparteitag-2017/