Für das Buchprojekt „Deutschlands bedeutendste Politiker nach 1949“ des Journalisten Aljoscha Kertesz und des Historikers Bernd Haunfelder habe ich eine Würdigung für unseren ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt geschrieben. Als Hamburger und stellvertretendes Kuratoriumsmitglied der Helmut-Schmidt-Stiftung habe ich mich sehr gefreut, diesen Beitrag beizusteuern.
Wenn wir in diesen von Krisen durchzogenen Zeiten in der Geschichte unseres Landes zurückblicken und nach sturmfesten Persönlichkeiten Ausschau halten, deren Handeln auch heute Orientierung bieten kann, dann denken wir hier rasch an Helmut Schmidt. Unvergessen bleibt sein zupackendes Krisenmanagement als Hamburger Innensenator während der Flutkatastrophe im Februar 1962. Um eine schnelle Hilfe zu organisieren, griff er entschlossen auch zu unorthodoxen Mitteln, bis hin zur Anforderung von Unterstützung durch die NATO.
Den Bundestag bereicherte Schmidt nicht nur mit seiner Rhetorik, sondern auch seiner festen Überzeugung, dass Politik eben nicht nur ein Denksport, sondern auch Handeln sei. Diese Einstellung trug ihn in seine späteren Regierungsämter im Verteidigungs- und Finanzministerium und 1974 schließlich ins Bundeskanzleramt.
Auch im Amt des Bundeskanzlers war Schmidt mit zahlreichen Krisen und Herausforderungen konfrontiert – von innen wie von außen. Er stellte sich dem Terrorismus der RAF entgegen und behielt diesen Kurs auch im Angesicht bitterster Entscheidungen bei. Im Sturm der Weltwirtschaftskrise verweigerte er sich nationalen Reflexen und nutzte die Krise zur Etablierung einer besseren Zusammenarbeit in Europa und der Welt. Im Zentrum stand dabei seine enge Zusammenarbeit mit Frankreichs Präsident Valéry Giscard d’Estaing. Gemeinsam schufen sie das Europäische Währungssystem und ebneten damit bereits den Weg für den Euro. Gemeinsam riefen sie den Weltwirtschaftsgipfel, den Vorgänger der G7, ins Leben und brachten die führenden Industrie- und Wirtschaftsnationen für gemeinsame Lösungen an einen Tisch. Und als sich der Kalte Krieg aufgrund der sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen abermals zuspitzte, setzte Schmidt mit dem NATO-Doppelbeschluss auf eine Strategie des Dialogs und der Abschreckung. In diesem zeigte sich sein strategisches Denken, welches er bereits als junger Abgeordneter und Verteidigungspolitiker mit seinen Büchern „Verteidigung und Vergeltung“ und „Strategie des Gleichgewichts“ unter Beweis gestellt hatte.
Was von Helmut Schmidt bleibt, ist die Erinnerung an einen großen Sozialdemokraten, Kanzler und Europäer, einen nüchternen Hanseaten, pragmatischen Krisenmanager und hochgeschätzten Staatsmann. Es ist aber auch die Mahnung an die Politik, gerade in Krisenzeiten entschlossen und pragmatisch zu agieren und dabei immer das „langfristig Notwendige“ im Blick zu haben. Er fehlt uns mit seinem klaren Kompass und seiner Weitsicht. Er bleibt ein Vorbild.
„Remaking Globalization must mean that all people can benefit“