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-- es gilt das gesprochene Wort --
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich sehr heute zu Ihnen und mit Ihnen sprechen zu können. Als deutsche Bedienstete in internationalen Organisationen tragen Sie eine wichtige Verantwortung für das tägliche Funktionieren unserer multilateralen Ordnung, die derzeit von vielen Seiten unter Beschuss steht. Am 8. Juni ist Deutschland mit 184 Stimmen für zwei Jahre in den VN-Sicherheitsrat gewählt worden. Dies ist ein überzeugendes Ergebnis, das das Vertrauen in unser Land und unser Engagement für eine regelbasierte Weltordnung widerspiegelt. Der Sicherheitsrat gilt als das Herz der internationalen Sicherheitsarchitektur. Die nichtständige Mitgliedschaft bringt eine große Verantwortung mit sich, welcher sich Deutschland zukünftig stellen muss. Wir haben Respekt vor dieser Aufgabe, sind aber auch gut gerüstet.
Welche Rolle wird Deutschland im VN-Sicherheitsrat einnehmen?
Viele Akteure erhoffen sich von uns eine "Stimme der Vernunft“ im Sicherheitsrat zu sein. In einer Zeit, in der sich viele vom multilateralen System abwenden oder versuchen es umzudeuten, ist es umso wichtiger, Flagge zu zeigen und die Vereinten Nationen weiterhin aktiv zu unterstützen. Unser Leitmotiv dabei lautet: Verteidigung der multilateralen, regelbasierten Weltordnung. Dazu gehört auch: eine klare Positionierung zu allen Fragen, die im Sicherheitsrat thematisiert werden, die Notwendigkeit teils unangenehme Entscheidungen zu treffen und einen entsprechenden finanziellen Beitrag zu leisten.
Wir hoffen, im Sicherheitsrat als Brückenbauer agieren zu können.
Weiterhin ist es für uns wichtig, die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat weiterhin zu fördern. Der Sicherheitsrat besteht, wenn wir dort einziehen, zu einem Drittel aus EU-Mitgliedstaaten. Umso mehr müssen wir diesen „europäischen Moment“ nutzen.
Unser Ziel ist eine EU, die nach außen einheitlich auftritt und kohärent handelt. Unser Vorhaben, unseren nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat zu einem europäischen Sitz zu machen, ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Natürlich wissen wir, dass wir als Bundesrepublik Deutschland gewählt wurden, und natürlich werden wir hinter einem Schild sitzen, auf dem „Deutschland“ steht. Aber unser Ziel ist, europäische Positionen zu vertreten.
Der Brexit fällt in unsere Sicherheitsrats-Mitgliedschaft; wir müssen daher das E3-Format weiter stärken. Die enge Bindung zu Großbritannien soll unter veränderten Rahmenbedingungen erhalten werden.
Deutsche EU Prioritäten und Ziele in VN-Sicherheitsrat
Die Agenda des Sicherheitsrats ist überwiegend durch aktuelle Krisen und laufende Mandate vorgegeben. Wir werden daher v.a. daran gemessen werden, ob wir hier einen Beitrag zur Minderung oder Lösung der Konflikte in Syrien, im Südsudan oder im Jemen leisten können. Dennoch gibt es natürlich Querschnittsthemen, die auch jenseits aktueller Krisen auf die Tagesordnung gehören. Hierzu zählen der Klimawandel, Gesundheitskrisen oder massive Menschenrechtsverletzungen. Wir wollen uns insbesondere während unserer Vorsitze im Sicherheitsrat dafür einsetzen, dass der Sicherheitsrat in seiner konzeptionellen Arbeit zu diesen Themen vorankommt.
Unser Ansatz: Friedenskonsolidierung begleiten
Deutschland steht für einen umfassenden Ansatz zur Konfliktbewältigung und –prävention im Sinne des "sustaining peace“: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darf nicht erst aktiv werden, wenn es lichterloh brennt. Er muss möglichst schon den Brand verhindern. Nach einem Brand aber darf er die Betroffenen nicht allein lassen; sondern ihnen helfen, in ihr altes Leben zurückzukehren. Wichtig ist dabei den gesamten Konfliktzyklus im Blick zu haben. Krisen sollen von Anfang bis Ende begleitet werden, sprich durch Präventions-, Stabilisierungs- und Nachsorgemaßnahmen. Unser Leitmotiv hierzu lautet: Krisen vorbeugen, Konflikte bewältigen, Frieden fördern. Deutschland vertritt einen umfassenden Sicherheitsbegriff. Themen wie z.B. Menschenrechte, Klimawandel, globale Gesundheit und die Gleichberechtigung der Frau sind eng verzahnt mit der Bewahrung des internationalen Friedens und gehören zum „harten Kern“ von Sicherheit. Sie gehören deswegen auf die Tagesordnung des Sicherheitsrats.
Auch für Abrüstung und Rüstungskontrolle muss es angesichts anhaltender Konflikte und einem globalem Trend zur Aufrüstung wieder einen zentralen Platz im Gefüge der Vereinten Nationen geben. Dafür wollen wir uns stark machen.
Peacekeeping ist ein unabdingbares Kriseninstrument, aber keine Dauerlösung. Wir brauchen erfüllbare Mandate, müssen Exit-Strategien und Übergänge vom Peacekeeping zum Peacebuilding klar definieren.
Erwartungen des Bundestags und der Öffentlichkeit? Rückblick auf 2011/12 und mögliche Konfliktlinien
Deutschland wird sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu den Krisen und Konflikten in der Welt verhalten müssen und sich dabei als Sicherheitsrats-Mitglied stärkerem Widerspruch, Druck oder Gegenwind ausgesetzt sehen als zuvor. Gleichzeitig ist die Mitgliedschaft aber auch eine große Chance, unsere Stärken einzubringen und an entscheidender Stelle mitzugestalten – gerade im Bereich Konfliktprävention. Viele Staaten haben unsere Kandidatur unterstützt, weil sie uns vertrauen und hohe Erwartungen in uns setzen. Es ist eine große Herausforderung an unser politisches und diplomatisches Können, diese Erwartungen auch zu erfüllen. Wir werden wie bereits 2003 in der Frage der Irak-Intervention oder 2011 im Fall Libyen kontroverse und – nach innen wie nach außen - erklärungsbedürftige Entscheidungen treffen müssen. Hier ist auch Ihr Einsatz als „Insider“ gefragt, wenn in der Öffentlichkeit von einzelnen Stimmen vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Fragen propagiert werden.
Wir haben während unserer letzten Sicherheitsratsmitgliedschaft 2011/12 Einiges erreicht, z.B. erstmalige Verabschiedung eines Presidential Statements, das den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Sicherheit aufgreift, Begleitung der Unabhängigkeit Südsudans, die Verabschiedung einer Resolution zum Schutz von Schulen und Krankenhäusern, die Stärkung rechtsstaatlicher Verfahren bei Sanktionsregimen oder die Einrichtung des Wiesbaden-Prozesses zur Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft bei der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen.
Wir werden uns 2019/20 sicher wieder in Großkrisen bewähren und schwierige Entscheidungen treffen müssen.
Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Herausforderungen bin ich sehr an Ihren Einschätzungen zu den Chancen und Möglichkeiten unserer bevorstehenden Sicherheitsrats-Mitgliedschaft interessiert, gerade aus Ihrer jeweiligen Perspektive: Wo können wir besser werden? Welche Themen sollten wir stärker besetzen? Welche Erwartungen gibt es in Ihrem Kreis an eine deutsche Sicherheitsrats-Mitgliedschaft?
Ich würde mich freuen, wenn Sie die Ziele und Schwerpunkte unserer Sicherheitsrats-Mitgliedschaft in Ihrem konkreten Einsatzfeld nach Kräften unterstützen und für unsere Ansätze werben. Und ich möchte Sie einladen, engen Kontakt mit dem Auswärtigen Amt, den Botschaften vor Ort bzw. deutschen Ständigen Vertretungen bei Internationalen Organisationen zu pflegen. Nur wenn wir an einem Strang ziehen, können wir erfolgreich sein.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich nun auf den Austausch mit Ihnen.
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Einblicke in meine Arbeit in Berlin und Eimsbüttel: