Gemeinsam mit meinem Kollegen Rainer Arnold habe ich mich in einem Gastbeitrag für ein stärkeres und verlässlicheres Engagement Deutschlands für die Vereinten Nationen eingesetzt:
Deutschland muss sich bei den UN stärker engagieren, damit sie ihre friedenspolitischen Ziele besser umsetzen können.
Vor 70 Jahren, am 26. Juni 1945, trafen sich in San Francisco Regierungsvertreter von 50 Staaten und unterzeichneten die Charta der Vereinten Nationen (UN). Zur Wahrung des Weltfriedens sollte eine Staatenorganisation auf Basis eines kollektiven Sicherheitssystems gegründet werden. Die UN sind die einzige vertragsbasierte Staatenorganisation mit universellem Anspruch, die über die Einhaltung des Friedens in der Welt wacht und berechtigt ist, gegebenenfalls zivile oder sogar militärische Zwangsmaßnahmen zur Wahrung und Wiederherstellung des Friedens zu beschließen.
Die aktuelle internationale Lage ist von Krisen und einer Erosion bestehender Ordnungsmuster geprägt. Trotz struktureller Schwächen ist die UN auch nach 70 Jahren die globale Ordnungsstruktur und maßgeblich für die deutsche Außenpolitik. Auch als große Wirtschafts- und Handelsnation hat Deutschland ein überragendes Interesse am Erhalt einer auf Regeln basierenden Weltordnung. Sich aktiv in den UN zu engagieren und sie zu stärken, ist Kerninteresse deutscher Außenpolitik. Deswegen plädieren wir dafür, unser UN-Engagement auszubauen und mehr Verantwortung zu übernehmen.
Unser sicherheitspolitischer Schwerpunkt liegt selbstverständlich weiterhin im Bereich der zivilen Krisenprävention und Konfliktregelung. Das Zentrum für Internationale Friedensdienste (ZIF), das von der damaligen rot-grünen Bundesregierung ins Leben gerufen wurde, hat sich zu einem unverzichtbaren Bestandteil deutscher Krisenpräventionspolitik entwickelt. Nun gilt es, das ZIF zu stärken, damit es auch den aktuellen und künftigen Herausforderungen gewachsen ist.
Der derzeitige Vorsitz Deutschlands im UN-Menschenrechtsrat gibt uns die Gelegenheit, internationale Politik an einer wichtigen Schaltstelle zu gestalten. Unser Ziel muss es sein, künftig einen noch größeren Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage vor Ort zu leisten, zum Beispiel indem Deutschland UN-Sondermechanismen, wie die „Sonderbeauftragte für Kinder und bewaffnete Konflikte“ unterstützt. Viele Staaten erwarten aber auch, dass sich Deutschland sicherheitspolitisch stärker engagiert. Derzeit läuft der vom UN-Generalsekretär initiierte Überprüfungsprozess von Friedensmissionen. Derzeit sind rund 125 000 militärische, polizeiliche und zivile Friedenskräfte in UN-Missionen weltweit im Einsatz. In der Regel kommt es darauf an, rasch handlungsfähig zu sein.
In diesem Kontext stellen wir uns die Frage: Welchen Beitrag will und kann Deutschland leisten? Deutschland beteiligt sich bereits an verschiedenen UN-Polizeimissionen, die eine zunehmend wichtige Rolle bei internationalen Friedenseinsätzen spielen. Diese Beiträge gilt es zu konsolidieren und – wo möglich – auszubauen. Bislang ist Deutschland mit 159 Soldaten – das entspricht nur 0,18 Prozent aller in UN-Friedensmissionen eingesetzten 95 000 Soldaten – und 20 Polizeikräften (0,15 Prozent) nicht gerade überrepräsentiert.
Doch unsere Beteiligung an UN-geführten Stabilisierungsmissionen sollte auf zwei Ebenen ausgebaut werden: Eine quantitative und vor allen Dingen eine qualitative Anhebung des deutschen Beitrags. Leider ist es Deutschland bisher nicht gelungen, sich adäquat in diesem Bereich zu engagieren, weil bei UN-Anfragen die von der Bundesregierung gemeldeten Fähigkeiten regelmäßig nicht zur Verfügung standen. Dies muss sich ändern. Wir sollten daher erwägen, neben einer größeren Beteiligung im zivilen und im Polizeibereich, der UN jene Fähigkeiten zuverlässig zur Verfügung zu stellen, die auf den von ihr erkannten Bedarf zugeschnitten sind und unseren politischen und militärischen Möglichkeiten entsprechen.
Dabei geht es vor allem um das Schließen von Defiziten im anspruchsvollen technischen Bereich. Dazu gehören unter anderem Logistik, Feldlagerbau, Kommunikationstechnik, Pionierfähigkeiten, Aufklärungs- und Führungsfähigkeiten sowie Sanitätswesen gehören. Angesichts immer größerer Opferzahlen durch Sprengfallen auch bei UN-Truppen gehört die entsprechende Ausbildung und Schutzausrüstung zu einem weiteren wichtigen Feld, in dem Deutschland sein Wissen und seine Fähigkeiten sinnvoll einbringen kann.
Deutschland sollte den Vereinten Nationen nur dann Fähigkeiten anbieten, die wir auch im Bedarfsfall bereit sind, zur Verfügung zu stellen. Bei Wahrung der parlamentarischen Beteiligungsrechte könnten wir unsere angebotenen Fähigkeiten verläßlich und innerhalb von 30 Tagen nach Anforderung der UN zur Verfügung zu stellen. Hierzu ist ein grundsätzliches Einvernehmen zwischen Bundestag und Bundesregierung erforderlich, wonach die Vereinten Nationen als führende sicherheitspolitische Organisation im hier beschriebenen Rahmen von Deutschland unterstützt werden sollen. Dies wird auch in schwierigen Einsatzgebieten von UN-Friedenstruppen gelten müssen.
Nur die UN mit ihrer friedensstiftenden und friedenserhaltenden Rolle hat die politische und völkerrechtliche Legitimation, die keine andere Organisation oder ad-hoc-Koalition besitzt. Im Koalitionsvertrag haben wir uns bereits zu einer angemessenen Ausstattung der UN-Friedensmissionen bekannt. Wir sollten jetzt die Initiative ergreifen und in einen konstruktiven Dialog miteinander treten, um Deutschlands Beitrag für den Frieden in der Welt systematisch und nachhaltig zu stärken.
Niels Annen ist Außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied des SPD-Parteivorstands.
Rainer Arnold ist Verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
erschienen am 25. Juni 2015