Seit knapp einem Monat arbeitet Moritz Baumann im Rahmen eines „Freiwilliges Soziales Jahr Politik“ in meinem Büro in Berlin und hat so die Chance, den parlamentarischen Alltag hautnah zu erleben. Im Rahmen dieses Programms ist auch die Teilnahme an verschiedenen Seminaren vorgesehen.
Das sind Moritz‘ Eindrücke nach seiner ersten Seminarwoche:
„Fünf Tage, drei große Themenblöcke und viel Diskussionsstoff: Auf der Tagesordnung des ersten Seminars standen unter anderem die Themen Gerechtigkeit, Antisemitismus und Justizvollzug. Was ist eigentlich gerecht? Wie verbreitet ist Antisemitismus noch in unserer Gesellschaft und sind lange Haftstrafen wirklich sinnvoll? Alles das stand zur Diskussion.
Gleichheit = Gerechtigkeit?
Schon beim Definieren des Begriffs „Gerechtigkeit“ wurde deutlich, wie unterschiedlich dieser interpretiert wird und dass Gleichheit nicht unbedingt bedeutet, dass eine Gesellschaft gerecht ist. Besonders intensiv beschäftigten wir uns mit den Bereichen Wohnen, Bildung und Gesundheit. Aber auch das Bedingungslose Grundeinkommen stand auf dem Prüfstand.
In der Diskussion viel immer wieder der Begriff Chancengerechtigkeit – ein Ziel, das auch die SPD für sich in Anspruch nimmt. Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, dass jeder – unabhängig von finanziellen Mitteln und dem Elternhaus – die Möglichkeit hat, selbstgesteckte Ziele zu erreichen.
Das Judentum – Religion, Kultur, Volk
Noch immer sind bei vielen Deutschen die ersten Assoziationen beim Gedanken an das Judentum die Gräueltaten des Nationalsozialismus. Der Holocaust ist und bleibt eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Im Verlauf unserer Diskussion aber wurde deutlich, dass das Judentum in der öffentlichen Wahrnehmung weit mehr ist als nur eine Religion. Immer wieder war auch von Volk, Kultur und Familie die Rede.
Kritisch stellten wir uns der Frage, warum einige Deutsche Begriffe wie „Geiz“, „Reichtum“ und „Konfliktschürer“ auch heute noch mit dem Judentum in Verbindung bringen und – im Kontext der Aufarbeitung der NS-Verbrechen – eine sogenannte „Schuldkultur“ ablehnen.
Auch der Nahostkonflikt spielt bei der Betrachtung des Judentums eine wichtige Rolle. Zum tieferen Verständnis erläuterte unser Referent Kai Schubert, von der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ der brandenburgischen Landesregierung, die Hintergründe. Es ging um die Folgen der britisch-französischen Besatzungspolitik nach dem Ende des 1. Weltkriegs und um die kriegerischen Auseinandersetzung in Folge der israelischen Staatsgründung. Auch die aktuellen Entwicklungen in dem seit über einem Jahrhundert schwelenden Konflikt wurden besprochen.
Hinter Gittern
„Das deutsche Justizsystem ist viel zu lax!“ Das ist ein Vorwurf, der sich immer wieder in der öffentlichen Debatte niederschlägt. Clara Müller, die ihr Duales Studium in der Bewährungshilfe absolviert und uns als Referentin Rede und Antwort stand, sieht das anders. Sie steht hinter dem Ansatz, Straftäter zu resozialisieren, statt sie lebenslang wegzusperren.
Besonders die Bewährungshilfe – als Beratungs-, aber auch Kontrollinstanz - sei ein richtiges und wichtiges Instrument, um Straftäter wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Sie betonte jedoch, dass die Einflussmöglichkeiten begrenzt und die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Bewährungshilfe oft schwierig seien.
Neben der Bewährungshilfe stand eine nähere Betrachtung des offenen und geschlossenen Vollzugs sowie der Sicherheitsverwahrung auf dem Programm. Auch auf alternative Vollzugsarten kamen wir zu sprechen. Besonders die elektronische Fußfessel und das amerikanische 'Bootcamp-Prinzip' polarisierten. Die Idee einer Mediation zwischen Täter und Opfer, die sogenannte ‚Restorative Justice‘, stieß dagegen auf sehr positive Resonanz.“
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