SPD

Meine Reise mit dem Bundespräsidenten in die Türkei

Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen unseren Ländern war Frank-Walter Steinmeier für drei Tage auf Staatsbesuch in der Türkei

06.05.2024
Niels Annen
Bei der Ankunft in Istanbul.

Mitte April habe ich in meiner Rolle als Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unseren Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auf seine Reise in die Türkei begleitet. Der Anlass dieser Reise war auch das hundertjährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei. 1924 schloss das Deutsche Reich mit der Türkischen Republik einen Freundschaftsvertrag. Die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen haben sich in den darauffolgenden einhundert Jahren weiter vertieft und verfestigt. So konnten zur Zeit des NS-Regimes mehrere hundert verfolgte Deutsche Zuflucht und Exil in der Türkei finden. Umgekehrt kamen in der Folge eines Anwerbeabkommens für türkische Arbeitnehmer zwischen 1961 und 1973 circa 876.000 Menschen aus der Türkei als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland. Viele blieben jedoch für immer und hatten einen großen Anteil daran, das heutige moderne und multikulturelle Deutschland mit aufzubauen. So sind Deutschland und die Türkei heute kulturell und wirtschaftlich sehr eng verknüpft und es leben drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland.

Die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei sind für Deutschland und die EU auch in politischer Hinsicht wichtig. So vermittelte die Türkei bereits das Getreide-Abkommen zwischen Russland und der Ukraine und ihr kommt auch im Nahen Osten eine entscheidende Rolle als Bindeglied zwischen Westen und Nato auf der einen und den arabischen Staaten auf der anderen Seite zu. Und auch in Bezug auf das Thema Migration hat die Türkei eine Schlüsselrolle. In der Türkei leben 3,7 Millionen Flüchtlinge, davon kommt der Großteil aus Syrien. Damit ist die Türkei das größte Aufnahmeland der Welt.

Bei all diesen wichtigen Themen gibt es zwischen Deutschland und der Türkei bekanntermaßen jedoch auch teils größere Streitpunkte. Themen wie der Umgang mit der türkischen Opposition oder die fehlende Pressefreiheit betrachte ich, wie viele andere Menschen in Deutschland, sehr kritisch. Deshalb sind solche Reisen für mich auch eine gute Möglichkeit, Kritik zu üben und in den Dialog zu treten.

Die Reise des Bundespräsidenten fand jenseits des feierlichen Jubiläums zu einem politisch besonders brisanten Zeitpunkt statt. Die Beziehungen zu der Türkei sind auch durch den Nahost-Konflikt zusätzlich belastet. Dies wurde auch schon an unserem ersten Tag in der Türkei deutlich. Bei unserer Ankunft am Bahnhof Sirkeci in Istanbul war lautstarker pro-palästinensischer Protest zu hören und zu sehen.

Mit dem Bürgermeister Istanbuls, Ekrem İmamoğlu.

In Istanbul kam unsere Delegation mit Ekrem İmamoğlu zusammen, dem Oberbürgermeister der Stadt. Ohne Frage war es sehr interessant, seine Perspektive auf das politische Geschehen in der Türkei zu hören.  Zudem gab es viele Gelegenheiten zu Gesprächen mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft. Hierbei standen vor allem die Themen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Vordergrund. Ein weiterer Höhepunkt in Istanbul war für mich die Lesung des Autors Dinçer Güçyeter, der vor kurzem sein Buch „Unser Deutschlandmärchen“ veröffentlicht hat. Thema des Buches ist seine eigene Familiengeschichte als Gastarbeiterkind in Deutschland.

Mit Mithat Sancar.

Außerdem habe ich mich sehr gefreut, auch Mithat Sancar wiederzusehen. Mit dem Juristen und Professor, der für die pro-kurdische Partei HDP im Parlament sitzt, bin ich schon länger freundschaftlich verbunden. 2016 kamen wir über das Programm "Parlamentarier schützen Parlamentarier" in Kontakt – eine wichtig Aktion des Deutschen Bundestages zugunsten potenziell verfolgter Abgeordneter und Menschenrechtsverteidiger:innen im Ausland.

Nach dem Aufenthalt in Istanbul ging es am Dienstag weiter in den Süden des Landes. In Nurdağı besuchten wir ein Unterbringungszentrum für Erdbebenopfer. Deutschland hat die Türkei nach den Erdbeben mit insgesamt 238 Millionen Euro unterstützt. Als BMZ engagieren wir uns insbesondere für den Wiederaufbau im Bildungsbereich, damit in der Türkei wieder alle einen guten Schulzugang erhalten. Auch auf meiner Reise konnte ich noch immer die Schäden des Erdbebens erkennen. Die Gespräche mit einigen Erbebenopfern waren für mich sehr eindrücklich. Auf der Reise hatte ich auch die Gelegenheit, mich zu diesem Thema mit den türkischen Vertreterinnen und Vertretern zu beraten, was mir sehr wichtig war. Es ist wichtig, dass wir die Menschen vor Ort weiter unterstützen.

Im Gespräch mit Ankaras Oberbürgermeister Mansur Yavaş

Am Dienstagabend ging es dann weiter nach Ankara. Dort hatte ich am Mittwoch die Gelegenheit, mit Oberbürgermeister Mansur Yavaş zu sprechen, ebenso wie İmamoğlu ein Politiker der CHP. Am selben Tag hatte ich auch ein Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Trotz oder gerade wegen der Differenzen mit der türkischen Regierung war dieser Austausch sehr wichtig und eine gute Gelegenheit, einen breiteren Blick auf die vielseitigen Beziehungen unserer Länder zu werfen. Denn für beide Seiten sind diese engen Beziehungen entscheidend. Deshalb sind solche Reisen und Gespräche für mich auch sehr wichtig. Um die Zusammenarbeit zu stärken, aber auch über Konfliktpunkte zu sprechen und klare Kritik zu äußern.

Das machte auch der Bundespräsident deutlich: „Wir brauchen den Austausch und wir müssen gemeinsame Interessen nach vorn stellen und gemeinsame Lösungen suchen“, sagte er in einem Pressestatement zum Abschluss unserer gemeinsamen Reise in die Türkei.